WKTheater - Theater in Waldbröler Kulturtreff e.V. (WKT)

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"Carmina burana" von Carl Orff

Co-Produktion mit dem Sängerkreis Oberbergisch' Land und der Mucher Konzertgemeinschaft, gefördert u. a. vom Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kulturstiftung der Kreissparkasse Köln.
Musikalische Leitung: Dr. Dirk van Betteray
Inszenierung: Ulrich E. Hein

Premiere war am Samstag, 09.09.2006 in Nümbrecht (Schloss Homburg); weitere Vorstellungen: 10.09.2006 in Much (Burg Overbach) und 16.09.2006 in Siegburg (Abtei Michaelsberg).

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Zur musikalischen Konzeption dieser Aufführung
Es erklingt die Fassung der „Carmina Burana“ für Chor, zwei Klaviere, Pauken und Schlagwerk. Diese Fassung hat Carl Orff 1956 geschrieben, um sein erfolgreichstes Werk auch denen zugänglich zu machen, denen kein großes Sinfonieorchester zur Verfügung steht. Zwar fehlen dieser Fassung die instrumentalen Farben des Orchesters. Sie wird heute allerdings auch deshalb so gerne aufgeführt, weil die Verwendung der Klaviere in Kombination mit dem Schlagwerk die Musik Carl Orffs noch rhythmisch prägnanter erscheinen lässt.

Aufgrund der kompositorischen Struktur der Chöre ist in unserer Aufführung der Gesamtchor in drei Gruppen geteilt: Ein Kleinchor singt die beiden kammermusikalischen Chöre der Nummern 3 und 19 und ein aus weit über hundert Sängerinnen und Sängern bestehender Favoritchor singt alle übrigen Chöre. Bei den großen und gewichtigen Rahmenchöre des Werkes vereint sich dieser Favoritchor mit einem Tuttichor aus weiteren ca. 200 Sängerinnen und Sängern, um die Klanggewalt dieser Stücke deutlich werden zu lassen.

Das musikalisch Besondere unserer Aufführung besteht im Einschub zweier Teile mit Musik aus dem mittelalterlichen „Codex Buranus“, die ich eigens für diese Aufführung nach den Neumen des „Codex Buranus“ und Vergleichshandschriften rekonstruiert und für das Frauenvokalensemble A CAPPELLA, KÖLN eingerichtet habe. Der erste Einschub erklingt nach den Frühlingsliedern der Orffschen „Carmina Burana“ und führt diese mit mittelalterlichen Frühlings- und Liebesliedern fort. Der zweite Einschub setzt die Wirtshausszene mit ihrem unheiligen Treiben fort. Es handelt sich um eine für dieses Projekt eingerichtete Kurzfassung des „Officium lusorum“ („Spielermesse“) der mittelalterlichen Handschrift. Bei dieser „Spielermesse“ handelt es sich um ein parodistisch verfremdetes Messformular. Als Vorlage dienten dem mittelalterlichen Komponisten unterschiedliche bekannte Perikopen bzw. Gesangsstücke des gregorianischen Repertoires (z.B. der Introitus „Gaudeamus“ des Allerheiligenfestes oder die Ostersequenz „Victimae paschali laudes“). Dabei sollte nicht der parodierte Text ironisiert werden. Vielmehr stand die Lust am Wortwitz im Vordergrund, vielleicht auch die satirische Darstellung des gottlosen Treibens in Wirtshäusern, bei denen das Würfelspiel zum Allerheiligsten wird. Der mittelalterliche Höhepunkt der Messe mit der Konsekration ist im „Officium lusorum“ wohl auch deshalb nicht enthalten, weil man sich nicht über die Sache als solche lustig machen wollte, sondern lediglich über deren Auswüchse.
(Dirk van Betteray, 2006)

Vom “Codex Buranus” zur “Carmina Burana” von Carl Orff
Als im 19. Jahrhundert das Geschichtsinteresse neu erwachte, kamen auch viele mittelalterliche Handschriften wieder zu Bedeutung, die vorher mehrere hundert Jahre unbeachtet in den Klosterbibliotheken gestanden hatten. So wurde auch bei der Säkularisation des oberbayerischen Benediktinerklosters Benediktbeuern (1803) eine Handschrift entdeckt, die man seitdem nach ihrem Fundort als „Codex Buranus“ („Benediktbeurer Handschrift“) bezeichnet. Diese Handschrift stammt aus dem 13. Jahrhundert und stellt eine große Sammlung von 250 Liedern in lateinischer, mittelhochdeutscher und altfranzösischer Sprache dar. Sie enthält moralisch-satirische Dichtungen genauso wie Liebeslieder, Trink- und Spielerlieder und geistliche Spiele. Im „Codex Buranus“ wurden Texte der nicht für die Liturgie bestimmten Gesänge verschiedener Regionen gesammelt und zum Teil mit deutschen Neumen versehen, die Angaben zu Melodie und Rhythmus machen. Der Entstehungsort der Handschrift ist bis heute ungeklärt.

Nach der Säkularisation kam die Handschrift in die Bayerische Staatsbibliothek München. Ihr Text wurde 1847 von Johann Andreas Schmeller erstmals komplett herausgegeben. Diese Ausgabe fiel Carl Orff zufällig in die Hände. Für die Komposition seiner „Carmina Burana“ („Benediktbeurer Lieder“) wählte er Dichtungen aus dem „Codex Buranus“ aus und stellte sie neu zusammen. Das zentrale Thema seiner Komposition ist das Schicksal, verkörpert in der Göttin Fortuna, das die Menschheit in seiner Hand hält und wahllos mit ihr spielt, indem Glück und Unglück sinnlos den Menschen treffen. Diese Weltsicht hat bei Orff die fatalistische Konsequenz: Genieße das Leben in vollen Zügen, denn das Unglück kann schneller kommen, als du denkst! So bildet das „Schicksalslied“ O Fortuna die kompositorische Klammer, unter der Frühlingsgefühle (Primo vere), Zechgelage (In taberna) und Liebeszauber (Cour d´amours) die Freuden des Menschseins darstellen, die vom Schicksal morgen schon zunichte gemacht werden können.

Die Musik von Orffs „Carmina Burana“ hat nichts mit den mittelalterlichen Melodien des „Codex Buranus“ zu tun, nur in der Nr. 9 verwendet Orff im Chum geselle min eine Melodie, die sich schon bei Adam de la Hale im 13. Jahrhundert zu diesem Text findet. Die Orffsche Melodik ist einfach und oft strophisch gegliedert, die Harmonik ist blockhaft, ostinatohaft und ohne Entwicklung. Das ganze Werk ist stark rhythmisch geprägt. Durch das oftmalige Gegeneinandersetzen von Frauen- und Männerchor und durch die häufige Oktavkoppelungen zwischen Frauen- und Männerstimmen entsteht ein archaischer Eindruck.

Die Nazis sagten dem Werk bei seiner Uraufführung 1937 keinen großen Erfolg voraus. Heute ist es das am häufigsten aufgeführte oratorische Chorwerk überhaupt.
(Dirk van Betteray, 2006)

Carf Orffs CARMINA BURANA in Szene setzen
Es gibt viele und darunter viele sehr gute Inszenierungs-Ansätze zu diesem Werk. Unvergessen z.B. Ponelles geniale TV-Inszenierung. Carl Orff selber hat zu seiner Zeit mitgearbeitet an szenischen Lösungen. Immer ging es darum, aus einem reinen Konzert ein sinnliches Gesamtkunstwerk zu schaffen. Das ist auch die Idee und der Anspruch an die szenische Umsetzung im Rahmen dieses Projektes, - auch wenn ich dabei einen anderen Weg gegangen bin.

Während üblicherweise versucht wird, das Gehörte sozusagen in eine optische 1:1-Übersetzung umzusetzen, wollen wir hier eine Rahmenhandlung schaffen. Alles, was zu hören und zu sehen ist, ist die innere Welt eines Dichters. Das Publikum nimmt gleichsam Teil am inneren Erleben des Dichters. Und dieses Erleben ist geprägt von der individuellen Sicht Carl Orffs, wie sie in der Carmina Burana deutlich wird (vergl. dazu den Artikel van Betterays oben zum Codex Buranus und der Auswahl Orffs hin zur Carmina Burana). Orffs fatalistisch schicksalsergebene Sicht findet ihre Entsprechung in der depressiven Rückschau des Dichters auf die Freuden des früheren Lebens, der erfüllt ist vom mittelalterlichen und barocken Gedanken des carpe diem („Lebe den Tag, weil du ja doch bald sterben wirst und alles Streben umsonst ist.“). Der Dichter sieht die Bilder und Sinnbilder (Allegorien) des Lebens aus seiner Sicht, aber der Zuschauer sieht diese Bilder sozusagen neutral. Der Zuschauer sieht den Dichter und die Bilder, sieht die Bilder nicht aus der Sicht des Dichters und kann selber entscheiden, wie er die Texte, die hier vertont erklingen, verstehen will und kann.

Konsequenterweise sind deshalb die musikalisch Ausführenden in diesem Konzept beinahe absolut statisch. Sie geben die Botschaft, - was damit anzufangen ist, muss der Zuschauer selber entscheiden. So, wie der Dichter für sich entschieden hat.
Wenn z.B. im Primo Vere oder im Cour d’amour der Gesang anrührend innig und beseelt äußerst derbe und anzügliche Texte Musik werden lässt, so kommentiert und kontrastiert das Eine das Andere. Was aber was kommentiert, ist Deutungssache. Und das Publikum mag selber entscheiden, ob z.B. der protestierende Kinder-chor beim Dulcissime der Sopranistin verstört und empört ist über die triebhafte Auslebung eines Erwachsenenlebens oder einfach noch zu naiv, um zu verstehen, was Liebe letztendlich bedeuten kann.

Und wenn die Allegorie Fortuna mit den Ebenen des Lebens sozusagen Schach spielt und damit das menschliche Geschick einem Spiel gleich werden lässt, dann entspricht das der Sicht des Dichters, der sich zusätzlicher Verse des Codex Buranus und der moralisch predigenden Dichtung eines Sebastian Brant (1494) aus seinem „Narrenschiff“ bedient, um seinen Seelenzustand zu verdeutlichen. Aber die Tatsache, dass die Allegorien selbständig werden, verletzlich sind, zeigt, dass sie einem höheren Gesetz unterworfen sind. Einem Gesetz, dem auch Fortuna unterworfen ist. Dem Gesetz des Lebens, das mehr ist als tumbes Schicksal oder reiner Zufall.
(Ulrich E. Hein, 2006)


Weitergehende Informationen:
Ankündigung - WKTheater Ankündigung
Information  - WKTheater Originaltext der "Carmina burana" und deutsche Übertragung von Dr. Dirk van Betteray
Fotogalerie  - WKTheater Fotogalerie
Presse - WKTheater

Presseberichte und Kritiken:

  • Oberbergische Volkszeitung (01.07.2006):
    „Ein sinnliches Gesamtwerk
    'Carmina Burana' wird das Konzertereignis des Jahres"
    gesamten Artikel als PDF-Datei [anzeigen]

  • Oberbergische Volkszeitung (01.07.2006):
    „Deftige Sprache"
    Interview mit Ulrich E. Hein als PDF-Datei [anzeigen]
  • Oberbergische Volkszeitung (11.09.2006)
    "Ein brodelnder Klangkessel
    Grandioses Carmina-Burana-Projekt auf Schloss-Homburg"
    gesamten Artikel als PDF-Datei [anzeigen]

  • Rhein-Sieg-Rundschau (12.09.2006):
    „Akustische und visuelle Pracht
    'Carmina Burana' geriet zum Höhepunkt der Burgfestspiele"
    gesamten Artikel als PDF-Datei [anzeigen]

  • Lokalanzeiger (13.09.2006):
    „Ein sinnliches Gesamtkunstwerk
    Carl Orffs berühmtes Vokal-Instrumentalwerk 'Carmina Burana'"
    gesamten Artikel als PDF-Datei [anzeigen]

  • Kölner Stadtanzeiger (15.09.2006):
    „Fulminantes Mammut-Projekt
    'Carmina Burana' vereinte 300 Akteure..."
    gesamten Artikel als PDF-Datei [anzeigen]

  • Bonner Generalanzeiger (18.09.2006):
    „Abendliches Trinkgelage im Hofe der Abtei
    400 Sänger, Schauspieler und Musiker bringen die 'Carmina Burana' nach Siegburg"
    gesamten Artikel bei General-Anzeiger-Bonn.de [lesen]

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